Der MObiLO e.V. wurde 24. Oktober 1997 als “Agentur für mobile Dienstleistungen”, nach den Vorgaben des BGB als GBR (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) von Bewohnern des Übergangsheimes Sauersgässchen der Bürgerinitiative Sozialpsychiatrie gegründet.
Das damalige Ziel: "Wir wollten uns selbst Arbeitsplätze schaffen, weil unsere Chancen, auf dem freien Arbeitsmarkt immer geringer wurden". Hinzu kam die von der damaligen Bundesregierung vorgenommene Streichung aller berufsfördernden Rehagelder für Menschen mit seelischer Erkrankung. Diese "Sparmaßnahme" wurde zwar später wieder zurück genommen, aber die Planung des Projektes war angelaufen und es hatten sich bereits so viele Hoffnungen an dieses Projekt geknüpft, dass es aus der gewonnenen Eigendynamik heraus, auch ohne die gesteigerte Angst vor einer lebenslangen Arbeitslosigkeit und einer dadurch vereitelten Rückkehr in ein normales, anerkanntes und nützliches Gemeinschaftsleben, realisiert werden konnte.
Das damalige MObiLO-Konzept. beinhaltete die Gründung einer "Agentur für mobile Dienstleistu- ngen n.d.V.d. BGB" und war als Arbeitsvermittlungsagentur zu verstehen, die Auftraggeber anwarb und die entgegengenommenen Aufträge an jene BewohnerInnen der Einrichtung weiter gab, die die Fähigkeiten hatten, den Auftrag sach- und fristgerecht zu erledigen. Die sachgemäße Ausführung des Auftrages sollte wiederum die Agentur kontrollieren, ebenso die Rechnung schreiben und alle Formalitäten wie Buchführung, Steuer, Versicherung etc. abwickeln.
Um bei MObiLO arbeiten und sich Aufträge vermitteln lassen zu können, musste jeder Nutzer erst einmal Gesellschafter werden. Der durch die Auftragserledigung erwirtschaftete finanzielle Gewinn sollte, neben einem ausgezahlten Barbetrag, ein Anteil des Gewinnes als Einlage bei MObiLO bleiben. Von diesem, von den Gesellschaftern investierten Kapital, sollten Anschaffungen wie Werkzeuge, Material, Maschinen, Kfz etc. finanziert werden und die Gesellschafter dadurch am Gesamtvermögen der Gesellschaft MObiLO beteiligt werden.
Die größte Hürde bei der Umsetzung des Konzeptes bestand in der fehlenden Bereitschaft der BewohnerInnen der Einrichtung, einen Gesellschaftervertrag zu unterschreiben, da ja diese Unterschrift bedeutete, neben dem gesellschaftlichen Aufstieg vom bisher arbeitslosen Psychiatriepatienten zum Gesellschafter und selbständigen Kleinunternehmer, auch Verantwortung für eventuelle Haftungs- oder Schadensersatzansprüche zu übernehmen.
Dieses unternehmerische Risiko wurde in Anbetracht der ja tatsächlich bei den meisten GesellschafterInnen fehlenden fachlichen Kompetenz und dem daraus resultierenden geringen Selbstvertrauen (viele waren bis dahin noch nie einer beruflichen Betätigung nachgegangen), als existentielle Bedrohung und unzumutbar erlebt, zumal sich viele bereits an ihren Behindertenstatus und einen Betreuer, der stets die letzte Verantwortung trägt, gewöhnt hatten.
Aber auch bei den Betreuern mussten Grundüberzeugungen abgelegt und das Prinzip “Hilfe zur Selbsthilfe” einmal aus einer anderen Perspektive betrachtet werden. Wenn den Betreuten die die Möglichkeit zur übernahme von Selbstverantwortung ermöglicht werden soll, dann musste dies natürlich bedeuten, dass auch die Betreuer den von den Betreuten zu erledigenden Auftrag eine höhere Priorität einräumen, als z.B. das pünktliche Erscheinen zu den eigenen therapeutischen Gesprächsterminen - sofern es sich um eine unvorhersehbare und nicht zu vermeidende Terminüberschneidung handelt.
Es wurde deshalb auch unter dem Betreuungspersonal vereinbart, dass es in der Übergangsein- richtung künftig nichts wichtigeres geben sollte, als die von den Betreuten angenommenen Aufträge fach- und fristgerecht zu erledigen. Einer dieser ersten Aufträge, der schon bald eine harte Probe auf diesen Grundsatz erforderte, kam von der Stadt Marburg und beinhaltete die tägliche Reinigung eines städtischen Kindergartens. Das bedeutete für unser Übergangswohnheim, dass sich täglich gegen 17.00 Uhr eine kleine Gruppe von vier bis fünf Bewohner/innen zusammen finden und auf den Weg machen musste, um in Wehrda oder Cappel für zwei bis drei Stunden alle Räumlichkeiten dieses Kindergartengebäudes zu fegen, putzen und desinfizieren.
Und es funktionierte nicht nur sondern, über die fristgerechte Erledigung der Arbeiten hinaus, passierte ganz automatisch noch sehr viel mehr Positives. Da gab es plötzlich ganz neue Kontakte (z.B. zu Kunden, Ämtern und Behörden und Kindergartenpersonal), die nicht geprägt waren von Betreuungs- oder Therapieverhältnissen - und sie waren auch nicht getragen von sozial-moralischen Motiven hinter den Machtverhältnissen zwischen Helfer und Hilfeempfänger, sondern von einem ganz einfachen, aber für beide Seiten durchschaubaren und nützlichen Interesse - dem Arbeitsauftrag, der sachgerechten Erledigung und der entsprechenden Bezahlung.
Und dann gab es auch noch Signale des wieder ernst genommen werdens, wie z.B. die Aushändigung eines Kindergarten-Hausschlüssels, der von den Empfängern verantwortlich aufzubewahren und weiterzugeben war - kurz - eine für alle bislang betreuten Gesellschafter eine ganz neue und wohltuende Erfahrung.
Und wenn die bislang Betreuten nach Hause, in ihre Familien fuhren, dann gab es nicht mehr nur das Thema "wie geht es mir - wie wirken die Medikamente - was hat der Arzt gesagt - wann bin ich endlich in den Augen meiner Familie wieder gesund" sondern es gab ein neues Thema, die Agentur MObiLO und die anstehenden Aufträge und die damit verbundenen Erfolge und natürlich auch neuen aber geünderen Probleme. Im Zuge der neuen realen Kompetenzen entstand dann auch später der Wunsch, andere und anspruchsvollere Arbeiten, wie z.B. Renovierungen, Gartenpflege, Transporte, Umzüge etc. auszuführen.